Christvesper am 24. Dezember 2024 um 16:30 Uhr in der Christuskirche Fürstenberg
15.12.2024
ICE 612 von München nach Münster. Abfahrt 7.27 Uhr. Das Licht ist in Wagen 1.
ICE 94 von München nach Berlin. Abfahrt 6.13 Uhr. Das Licht ist in Wagen 27.
Bitte berücksichtigt, dass es aufgrund von Verspätungen zu kurzfristigen Änderungen kommen kann.
Nun, dass es bei der Bahn zu Verspätungen kommen kann, wissen wir alle. Vielleicht hat mancher von Ihnen in den letzten Tagen auch auf einem Bahnhof warten müssen. Oder Ihre Kinder. Oder Enkel. Aber was soll das mit dem Licht?
Vielleicht ahnen Sie es schon. Es geht darum, wie ein ganz besonderes Licht in die Welt getragen wird. Wie es auch hierher zu uns kam in der letzten Woche. Das Friedenslicht von Bethlehem.
Eine ausgeklügelte Pfadfinder-Logistik sorgt seit 38 Jahren dafür, dass dieses Licht bis in die letzten Ecken unseres Landes gebracht wird. An Bahnhöfen stehen Pfadfinder mit Leuchtern und bekommen beim kurzen Halt der Züge das Licht von den anderen Pfadfindern, die drin sitzen. Und bringen es dann in die Gemeinden und von dort geht es auch in manches Haus.
Wo aber beginnt das alles? Wo ist das erste Licht, das dann die anderen entzündet? Ja und das ist in diesem Jahr eine sehr bittere Geschichte. Normalerweise holt ein Kind aus Österreich – wo diese Aktion 1986 erfunden wurde – in der Geburtskirche in Bethlehem das Licht.
In diesem Jahr – zum ersten Mal – ist das nicht möglich gewesen. Zu gefährlich. Zu unsicher. Wegen der Situation in Israel und Palästina – und drum herum. Die Konflikte, die Gewalt, der Krieg haben sich ja in den letzten Monaten immer weiter ausgeweitet. Bethlehem liegt im Westjordanland, in Palästina also. Das Friedenslicht konnte nicht geholt werden wegen des Unfriedens in der Region. Als ich das las, standen mir Tränen in den Augen.
Dabei geht von diesem Ort, diesem kleinen Dorf, doch die Botschaft vom Frieden aus. Friede auf Erden. So singen es die himmlischen Heerscharen. Für die Hirten auf dem Felde. Die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Die verwirrt sind und sich erstmal fürchten. Sie verstehen nicht gleich. Aber sie wissen, wie nötig, wie wichtig Frieden ist. Sie sehnen sich nach Frieden wie ihr ganzes Volk. Endlich in Ruhe leben können. Endlich eine Perspektive haben. Endlich keine Angst mehr haben müssen vor Tyrannen und Terror. Endlich nicht mehr Spielball sein im Gerangel der Großmächte. Seit Jahrhunderten die große Hoffnung.
Einmal, so haben die Propheten versprochen, einmal wird einer kommen, der wird Frieden bringen. Und dann wird es sein, als gehe ein Licht auf über denen, die im Finstern wohnen.
Der Friedefürst. Unter anderem. Jesaja beschreibt mit immer größeren Worten, wie das sein wird, wer das sein wird. Das Kind, das uns geboren wird. Übrigens nicht irgendein Kind von Familie Hinz oder Kunz. Es geht hier um ein Königskind aus dem Hause und Geschlechte Davids. David. Der mit Goliath und später glorreicher, legendärer König. Etwa 1000 Jahre vor Christus geboren. In Bethlehem, wo seine Familie lebte. Deshalb übrigens muss dieses junge Paar, Maria und Joseph, mühsam von Nazareth nach Bethlehem wandern. Kunstvoll komponiert durch die Evangelisten Lukas und Matthäus, die damit ganz deutlich machen wollen: Dieser Jesus ist das erwartete Königskind. Der Friedefürst.
Als sie das schreiben, Lukas und Matthäus, da wissen sie ja schon: ganz wie erwartet ist es dann nicht gekommen. Dieser Jesus hat nicht ein für allemal aufgeräumt, die Römer aus dem Land geworfen und ein neues Reich errichtet. Eigentlich sieht es aus, als wäre er auf ganzer Linie gescheitert. Es gibt auch immer noch Krieg und Ungerechtigkeit. Das war damals so, gegen Ende des ersten Jahrhunderts, als sie ihre Evangelien schrieben. Das ist auch heute noch so.
Ja.
Aber.
All das kann die Sehnsucht nach Frieden nicht kaputt machen. Nicht auslöschen. Nicht zum Schweigen bringen. Sie bleibt da. Im Untergrund manchmal nur. Aber dort wirkt sie. Und all das Dunkel kann die Botschaft nicht aufhalten, dass es doch schon angefangen hat. Dass die, die im Finstern wandeln das Licht schon sehen. Und das geht von diesem Kind in der Krippe aus. Es hat zuerst die Eltern, Maria und Josef, berührt, dann die Hirten, diese armseligen Leute am Rande der Gesellschaft, dann – wenn wir die Evangelien ein bisschen mischen – die Weisen aus dem Morgenland und dann immer mehr und mehr Menschen. Über die Jahrtausende haben Menschen dieses Licht weitergetragen. Ihren Kindern und Enkeln davon erzählt. Der IGE war unterwegs, sozusagen: der Inter-Generationen-Express. Von Bethlehem an die entlegendsten Winkel in aller Welt, auch in die entlegendsten Winkel unserer beladenen und verqueren Herzen. Und er fährt immer noch. Dieser IGE. Heute, in diesem Augenblick, hält er hier. Hier in der Kirche. Und in den Häusern. Bei uns. Die Zugtür öffnet sich, das Licht wird zu uns herausgereicht. Um unsere Hoffnung, unsere Freude, unser Vertrauen wieder zu entzünden. Und wir dürfen es selbst auch weitertragen. Das tun wir mit den lieben Wünschen, die wir uns schicken, mit den Geschenken, mit denen wir einander eine Freude machen wollen. Das tun heute Abend die, die in den Krankenhäusern und Heimen arbeiten. Das tun die, die sich um Arme und Geflüchtete kümmern, die, die trotz aller Konflikte um Frieden ringen, und, und, und. Viele, viele Menschen tragen auf ganz unterschiedliche Weise in die Welt ein Licht.
In diesem Jahr, wie gesagt, konnte das Friedenslicht nicht in Bethlehem in der Geburtskirche seinen Weg beginnen. Wir haben es dennoch bekommen. In einer kleinen Wallfahrtskirche in Österreich, da geht das Friedenslicht nie aus. Dort wird es das ganze Jahr über bewahrt und geschützt. Von dort ist es in diesem Jahr losgeschickt worden.
Aber vor allem brennt es weiter in den Herzen der Menschen, die die Sehnsucht nach Frieden und die Hoffnung nicht aufgeben, sondern dafür eintreten im Kleinen wie im Großen. Die schon jetzt Licht bringen in die Dunkelheit der Welt.
Mögen auch wir dazu gehören.